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Jäger I

Objektbezeichnung:Grafik
Sachgruppe:Zeichnung / Grafik
Hersteller:
Penck, A. R.
Datierung:1994
Maße:H: 80 cm, B: 110 cm
Material:Papier
Technik:Siebdruck
In der Abfolge der Darstellungen werden Farben und Formen komplexer. Während Blatt I und II nur je einen mit einem Speer bewaffneten Krieger mit einem Löwen zeigen, sind auf Blatt III und IV je zwei Krieger und jeweils ein Tiger und ein Löwe zu sehen, wobei die Figuren sich bei wechselnder Farbe im Umriß wiederholen und sich in den beiden letzten Blättern gegenseitig überlagern. In ihrer Einfachheit und Zeichenhaftigkeit erinnern sie an Darstellungen der sogenannten primitiven Kunst oder an Höhlenmalereien aus der Vorzeit. In manchem gibt es aber auch Bezüge zu den expressionistischen Graphiken der gleichfalls aus Dresden stammenden Brücke-Künstler zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Seit 1968 nennt sich der Künstler Ralf Winkler nach dem Geologen und Eiszeitforscher Albrecht Penck (1858 - 1945), A. R. Penck, mit dessen Namen sich für den Maler ein bis heute gültiges Konzept verbindet: "Was die Malerei anbetrifft, kann ich sagen, daß der Name (?) für mich ein Symbol für ein Konzept ist, das ich erstmals entwickelt hatte, und zwar für ein Konzept, das mit Information zu tun hat. Ich habe eine gewisse Analogie gesehen zwischen abgelagerter Information und Geologie? Damals mußte ich mich durch ziemlich viele Schichten von Informationen durchfressen, durch die gesamte Kunstgeschichte, und stieß dann auf die Eiszeit- und Höhlenmalerei. Das hat mich fasziniert, als ich sah, daß da ein bestimmter Charakter sichtbar war, etwas, was ich dann später als Signalcharakter formuliert habe. Dieser archäologische Rückgriff hat meine Malerei wesentlich befruchtet und beeinflußt. Mit Hilfe dieses Konzepts konnte ich Bilder malen, die dann in der ersten Ausstellung im Westen bekannt geworden sind: diese Strichmännchen, die Signale und Informationen aussenden."1

Was beim oberflächlichen Blick nostalgisch erscheinen mag, zeigt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als eine überzeugende Methode, künstlerische Aussagen über Systeme und Strukturen unserer Gegenwart zu formulieren. Die Komplexität unseres Daseins gerinnt in Pencks Bildern zum tiefgründigen, archaischen Symbol, das als modernes Historienbild und Weltbild zugleich gelesen werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist der prähistorische Krieger zugleich der heutige moderne Mensch mit seinem im Grunde noch immer atavistischen Verhaltensweisen, der stets auf der Jagd nach was auch immer ist.

Der Löwe ist hier das zwar kraftvolle, aber zugleich gejagte Opfer und das Symbol der Natur schlechthin. Beides steht in einem engen gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis.

Penck nimmt in seinen Werken stets Bezug auf politische und gesellschaftliche Entwicklungen seiner Zeit, auch wenn diese Bezugnahme durch die zur Chiffre und Symbol verdichtete, prähistorische Formensprache nicht unmittelbar erkennbar ist. Dadurch aber gelingt es dem Künstler, die Inhalte zu verallgemeinern und sie auf einer höheren, das Aktuelle überschreitenden Ebene anzusiedeln, sie sozusagen allgemeingültig werden zu lassen.

Zum Jäger mit Löwen gesellt sich in den beiden letzten Blättern ein weiterer Jäger mit einem Tiger. In Anbetracht der Tatsache, daß Penck, der 1980 aus der DDR in den Westen gegangen war, immer Bezug nimmt auf aktuelle gesellschaftliche Geschehen und diese Folge 1994 entstand, läßt sich folgern, daß hier möglicherweise das problembelastete Zusammengehen der beiden vormals getrennten Gesellschaften von DDR und BRD nicht ohne Ironie künstlerisch kommentiert wird. Beide überlagern und durchdringen sich gegenseitig, sind gleich und doch unterschiedlich. Bei geringfügig unterschiedlicher Beute bleibt das Jagdverhalten stets dasselbe: "In diesem Sinne läßt sich aber Pencks Standart-Programm selbst modellhaft begreifen: als ein bildnerischer Code nämlich, dessen ?soziale Ikonographie? gesellschaftliche Zusammenhänge zeittypisch dechiffriert, als eine kollektive Ausdruckshaltung, die Vergangenheit gegenwärtig, Gegenwart bewußt und Zukunft vorstellbar werden läßt."2
Th. R.

1 A. R. Penck, zit. n.: Christine Lutz, Der Maler und Bildhauer A. R. Penck - Eine Einführung, in: Ausst. Kat. A. R. Penck, Erinnerung - Modell - Denkmal,Heilbronn, 1999, S. 13 f.
2 Hans-Jürgen Schwalm, Entsprechungen - ?Vor allem mit Negerplastik hab ich wenig zu tun?, in: Ausst. Kat., siehe Anmerkung 1, S. 86

Literatur:
  • Rodiek, Thorsten / Brigitte Heise / Gerhard Gerkens / Hildegard Vogeler / Ulrich Pietsch / Susanne Peters-Schildgen: Geschenkt - Gestiftet - Gekauft, Hamburg: ConferencePoint Verlag, 2003

Inventarnummer: 1995-22a

Signatur: bezeichnet (u.r.: ar. Penck)

Signatur: nummeriert (u.l.: 23/25)

Abbildungsrechte: Kunsthalle St. Annen


Ikonographie:     
Jagen, Jagd