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Objektbezeichnung:Grafik
Sachgruppe:Zeichnung / Grafik
Künstler:
Polke, Sigmar
Ort:Mit originalem Papierrand
Datierung:1988
Maße:H: 98,5 cm, B: 69 cm
Papier: H: 98,5 cm, B: 69 cm
Material:Papier
Technik:Siebdruck
Sigmar Polke betreibt mit großem Witz und kluger Ironie das Gesellschaftsspiel der Malerei. Die Spiellust scheint unbegrenzt. Kunsthistorische Topoi wie das Künstlerbild, der Geniebegriff, Bedeutungen, aber auch Zeitgeschichtliches, künstlerische Techniken und Stile werden auf der Bildfläche zusammengebracht wie bunte Glassteine zu dem kurzlebigen Kosmos eines Kaleidoskops: scheinbar beliebig, doch eigene Ordnungen aufstellend, Tiefsinniges oder Absurdes behauptend.
Schon seit 1963 verwendet Sigmar Polke Raster für seine Bilder. Sie tauchen in immer wieder unterschiedlicher Weise auf: von der Pop-art beeinflußt, mit Radier-gummi Punkt für Punkt gestempelt, mit Hilfe eines Lochblechs aufgesprüht etc.
Viele seiner Motive entstammen Zeitungsvorlagen. Auch das Raster hat seine Herkunft im Zeitungsdruck. Die auf der Bildfläche geordnet verteilten Punkte repräsentieren die apparativ erzeugte Struktur des Druckrasters. „Das Rasterklischee [...] zerlegt die Tonwerte [von Fotografien] in einzelne, druckfähige Elemente: winzige Punkte, deren Dichte über die Gestalt des Motivs entscheidet und die sich im Auge des Betrachters zu einem kohärenten Bild zusammenziehen.“
Diese Raster sind eigentlich leer, sie bedeuten nichts, vermitteln aber eine Stabilität, die aus ihrer ornamentalen Struktur erwächst. Denn Raster sind zuallererst elementare Ornamente, die durch ihren inhärenten Rhythmus eine affirmative Kraft haben. Dort, wo Ornamente bzw. Raster im Bild auftauchen, vermitteln sie eine Glaubwürdigkeit, welche , verbunden mit dem Rasterimage der Zeitungsfotos, die Authentizität der Erscheinung verspricht.
Konterkariert wird die postulierte Sicherheit und Ordnung des Rasters durch das Moment der Instabilität, das dem Rasterbild innewohnt. Denn diese Bilder sind dem Phänomen der Kippfiguren nahe: entweder sehen wir das Raster und nichts anderes oder wir sehen ein Motiv, dann aber wird das Raster nicht mehr gesehen. Die Augen spielen das Spiel mit.
Bei dem Siebdruck „o. T.“ kommt jedoch kein Bild zustande. Das Raster ? über die gesamte Bildfläche ausgebreitet ? bringt kein Motiv mehr hervor. Die Tätigkeit des Auges und des Gehirnes finden zu keinem Ergebnis. Es flimmert vor den Augen. Die erscheinende Fläche löst sich virtuell vom Bildgrund und scheint darüber flirrend zu schweben. Die Erscheinung bleibt unkonkret, höchstens eine fleckige Wand könnte man erkennen. Tatsächlich könnte am linken Bildrand im Rasterbild eine Raumecke auszumachen sein. Sollte der Künstler hier Leonardos Rat an die Künstler, sich von der fleckigen Atelierwand inspirieren zu lassen, thematisieren? Aber was entsteht da vor den Augen des Künstlers? Etwa dieses Fleckengebilde, das sich auf der Bildfläche manifestiert? Es ist völlig klar und eindeutig zu sehen, aber zu bestimmen ist es nicht. Was ist das? Ein Klecks! Der klecksende Künstler führt hier die These von der göttlichen Inspiration, die schon seit Platon tradiert wird, vor und lächelt dabei.
Ist der Betrachter am Zug, kann er nicht bestimmen, nicht einordnen, was doch nur spielen will. Der Kosmos, in dem das Zufällige sich ordnen will, bleibt auch nur von kurzer Dauer, weil das Raster nicht hält, was ein Raster verspricht, weil die Inspiration nur einen Klecks hervorbringt. Vielleicht sollte er das Bild mal drehen? Dann entsteht im Nu ein neuer Kosmos ? wie beim Kaleidoskop.
Dörte Ahrens

Inventarnummer: 223sipo

Signatur: Abstrakt

Abbildungsrechte: Provinzial Kunstsammlung


Ikonographie:     
Abstrakte Ideen / Konzepte