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Judith

Objektbezeichnung:Gemälde
Sachgruppe:Malerei
Künstler:
Pfeuffer, Helmut
Datierung:1984
Maße:H: 180 cm, B: 200 cm
Rahmen: H: 183 cm, B: 203 cm, T: 3 cm
Material:Leinwand
Technik:Öl
Stil:Junge Wilde / Neoexpressionismus
Der 1933 geborene Maler Helmut Pfeuffer wählte einen eigenbrötlerisch unabhängigen Weg für seine Arbeit. Sich nie an Tendenzen und Gruppierungen seiner Zeit anpassend, schuf er ein Werk, das nichtsdestotrotz Probleme der zeitgenössischen Kunst zu thematisieren vermochte. Charakteristisch für Pfeuffer ist die thematische Beschränkung auf nur zwei Bereiche der bildenden Kuns: der Landschaft und der Figur, insbesondere dem Akt, wobei beide Sujets sind nicht von einander getrennt zu betrachten sind. Der Künstler hält sie für materiell verbunden. Die Erde nährt den Menschen, versorgt ihn mit Luft und er wird nach seinem Tod als Staub ein Teil von ihr. Ebenso ist die Topographie des menschlichen Körpers ein Abbild der Natur. Brüste erscheinen wie Hügel, Schenkel öffnen sich wie Täler, es gibt Schluchten, Wachstum, Blüte und Vergänglichkeit. Gemeinsam bilden Mensch und Natur einen Kosmos aus Geburt und Verfall. Pfeuffers Darstellungen sind immer expressiv gezeichnet und von stark emotionaler Aura umgeben. Es ist ihre formale Grammatik und die Sprache der Farbe, die dazu beitragen, dass so unterschiedliche Themen wie Körper und Landschaft sich sowohl in Komposition als auch in Detailformen so ähnlich werden können.
Auf den ersten Blick unterstellt man Helmut Pfeuffer im Hinblick auf seine Figuren eine offensive, geradezu aggressive Erotik. Zu nackt, in zu offenherzigen Posen präsentiert er seinen Menschen und löst damit Irritation und spießbürgerliches Unverständnis aus. Doch der Fehler ist schnell eingesehen, betrachtet man die Identitätslosen Figuren unter dem Aspekt ihrer malerischen Gestaltung. Pfeuffer verwendet nur selbst angemischte Farben. Er zeigt keine rosige Haut, die den Maßstäben einer Konsenserotik gerecht würde, sondern lässt das Fleisch blutrot über braun verkrustet bis hin zu fäulig violett erscheinen. Es ist durchfurcht wie ein Ackerboden, wie morastiger Untergrund und uneben wie eine karge, rohe Landschaft. Um hedonistische Freude am nackten Körper kann es in dem Gemälde "Judith" schwerlich gehen. Die Figuren sehen verletzt aus, geschunden, Farben und Strukturen scheinen die Haut offen zu legen. Von diesem Zustand sind sie aber sonderbar unbeeindruckt, was sie für den Betrachter unnahbar werden lässt. Es ist nicht möglich, sich mit ihnen zu identifizieren, denn sie scheinen sich in einem schwebenden Zwischenzustand zu befinden, der nur aus ihnen heraus funktioniert und für Außenstehende unbetretbar ist. Pfeuffers Figuren sind keine Träger seiner eigenen Gefühle oder allgemeingültiger Botschaften. Sie stehen für sich selbst und vermitteln ihre eigene sinnliche Erfahrung. Sie bilden einen Emotionsstrom, um Gefühle wie Leidenschaft, Angst, Obsession und ähnliches freizulassen, die in jedem Körper lauern können. Gerade diese Kraft echauffiert den Betrachter, weil er erkennen muss, dass die Bilder in Wahrheit nicht pornographisch sind, sondern die elementarsten Emotionen bloß stellen.
So zeigt Pfeuffer das Liebespaar in einem postekstatischen Moment beieinanderliegend ohne jedoch auf die Lust oder Erotik anzuspielen, die unmittelbar davor zwischen den Liebenden bestand. Übriggeblieben sind zwei verletzliche Kreaturen in intimster Zweisamkeit, die nicht zuletzt durch den Einsatz der malerischen Mittel untrennbar erscheinen. Ihre stereotyp exhibitionistische Pose, inspiriert durch kommerzielle pornographische Darstellungen, wird gleichsam "bekleidet" mit einer "verborgenen Sinnlichkeit" (Jensen, 1988, S. 10), die eine Aura feierlichen Pathos besitzt. Dieser erscheint wie ein Triumph im Kampf Helmut Pfeuffers gegen die Zerstörung der Sinnlichkeit durch Rationalismus und Abstraktion, die sinnliche Erkenntnis unmöglich machen. Dieses Ziel vor Augen, wählt er Körper und Landschaft, denn in ihnen manifestiere sich das Chaos, das sich dem rationalistischen Zugriff entzieht, in welchem jedoch die Wahrheiten liegen, vor denen sich die Gesellschaft fürchtet und sie daher verdrängt. (Marta Wrage M.A.)
Q.: Städtische Galerie Rosenheim: Rückblick 30 Jahre Malerei 1968 bis 1998, Rosenheim 1998, S.7-10,12-14,136.
Jens Christian Jensen: Helmut Pfeuffer. Gemälde, Arbeiten auf Papier 1984-1988, Kiel 1988, S. 8-11, 17.
Museum Villa Stuck: Helmut Pfeuffer. Trauma und Drama. Retrospektive 1960-1985, München 1985, S. 27-37.

Literatur:
  • Knapp, Gottfried (Hrsg.) / Museum Villa Stuck, München (Hrsg.): Helmut Pfeuffer. Trauma und Drama. Retrospektive 1960-1985, München, 1985

Inventarnummer: 863

Signatur: bezeichnet und datiert (u. r.: Pfeuffer 84)


Ikonographie:     
menschl. Körper / Figur / Akt