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Kerckring-Altar |
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Das kleine Triptychon gehörte der Familie des Hinrich Kerckring, die aus Münsterländer Adelsgeschlecht stammte. Hinrich war Mitglied der vornehmen Zirkelbruderschaft (vgl. Inv.Nr. 1926-312, Altar der Zirkelbrüder), 1518 wurde er zum Ratsherrn ernannt und nahm das Amt des Wetteherrn wahr, d. h. ihm oblag die Gewerbegerichtsbarkeit. In der unruhigen Zeit, da Wullenwever als Volkstribun die Stadt beherrschte, spielte er als sein Kontrahent eine wichtige politische Rolle. Seine Ehefrau Katharina war Tochter des Bürgermeisters Hinrich Joris. Die Wappen beider Eheleute und die ihrer Eltern sind auf den Flügeln des Altars über ihren Köpfen angeordnet: über Hinrich die Wappen der Familien Kerckring und Kastorp, über Katharina die der Familien Joris und Hupe. Wo Hinrich Kerckring den Auftrag für die Anfertigung des Altars gab, kann nicht mehr mit Sicherheit nachvollzogen werden. Entweder lebte der Maler zu der Zeit in Lübeck, oder Hinrich ließ den Altar während eines Aufenthaltes in den Niederlanden anfertigen. Der Künstler signierte seine Arbeit auf einem gemalten Täfelchen links neben dem Kopf des Stifters: "MC JACOBUS TRAIECT(EN)SIS XX"; eine Signatur, die auf eine römische Brücke (Traiectum) über die Maas hinweist und somit keinen eindeutigen Schluß auf einen bestimmten Ort zuläßt. In der mittelalterlichen Literatur werden zwei Städte, Maastricht und Utrecht, mit dem Namen Traiectum belegt. Aus stilistischen Gründen kommen vor allem Jacob von Utrecht oder Claiss von Utrecht in Frage. Kerckring ist als ca. 40jähriger Mann dargestellt, der zum Zeichen seines Standes als Ratsherr und Kaufmann eine gefütterte Schaube mit großem Pelzkragen trägt. Das blasse Antlitz und schüttere Haar sind in realistischer Detailtreue wiedergegeben; durch sensible Farbmodulierung wird das Inkarnat herausgearbeitet, so daß man die Blutgefäße unter der Haut zu sehen meint. Im Gegensatz dazu ist die Gestalt der Katharina gläsern und formelhaft aufgefaßt, wie es der Malerei der vergangenen Epoche entspricht. Dies war Anlaß für die Vermutung, daß der Altar in Anwesenheit des Stifters in den Niederlanden entstand, der Künstler aber für die Gestaltung der Ehefrau nur ein Bild oder eine Zeichnung als Vorlage hatte (von Lütgendorff). Die genaue Beobachtung des Malers zeigt sich bei der Frauengestalt in der exakt wiedergegebenen zeitgenössischen Kleidung und dem detailliert gemalten Schmuck, der im Testament Hinrich Kerckrings von 1536 im einzelnen aufgeführt wird. Dennoch fällt die unterschiedliche Auffassung der Körperhaftigkeit der beiden Stifterfiguren sofort ins Auge. Die Mitteltafel zeigt eine "Madonna lactans", d.h. eine nährende Madonna, die wie auf einem Thron vor einer Landschaft sitzt. Ein golddurchwirkter Vorhang, der von Engeln getragen wird, hinterfängt ihre Gestalt. Noch stärker als bei der männlichen Stifterfigur hat hier der Maler den Akzent auf die Wiedergabe des Inkarnats gelegt: Feinste Adern, Lichtreflexe, Schattenspiel und Farbnuancen werden mit größter malerischer Delikatesse wiedergegeben. Ein hauchzarter Schleier umhüllt Haupt und Brust, dessen Transparenz den Glanz der Haut eher steigert. Das Kind auf dem Brokatkissen spielt mit einem Distelfink am Faden, einem Symbol der Seele, die an Christus gebunden ist. Das Tafelbild zeigt Einflüsse der Renaissancemalerei, wie sie in Italien verbreitet war und von den Niederländern übernommen wurde. Im Madonnentyp und den schwebenden Putten sind eindeutig auch Merkmale der Dürerschen Kunst zu erkennen, die durch die Druckgraphik verbreitet und somit von überregional prägender Bedeutung war. Die Landschaft orientiert sich an dem "klassischen" Farbschema der drei Stufen: Sie verläuft vom hellen Grün der Wiesen und dem Braun der Erde bis hin zu dem blauen Felsmassiv in der Ferne. Kleinteilige Genreszenen schmücken sie erzählerisch aus. Die geschlossenen Flügel greifen dieselbe Landschaft auf, freilich gröber gestaltet. In ihr stehen großformatig der Evangelist Johannes mit dem Giftkelch, aus dem eine Schlange entweicht, und Judas Thaddäus mit dem Marterinstrument, der Keule. Von allen Altären des St. Annen-Museums, die in den 20er Jahren des 16. Jahrhunderts entstanden sind, zeigt der Kerckringaltar am deutlichsten den Übergang von der spätmittelalterlichen zur Renaissancemalerei, in der sich eine völlig neue, an der Realtiät orientierte Auffassung vom Menschen durchsetzt. Auf der ornamentierten Schließe der Flügel steht die Datierung 1520; sie wurde offensichtlich bei der Rahmung im 19. Jahrhundert übernommen. Heise/Vogeler 1993, Kat.Nr. 6 Literatur:
Inventarnummer: 1943-486 Signatur: signiert (linker Flügel, links neben dem Kopf des Stifters: MD JACOBUS TRAIECT[EN]SIS XX) Signatur: datiert (Verschluß des Altars: 1520) Abbildungsrechte: St. Annen-Museum
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