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Fremde unter Fremden. Else Lasker-Schüler - Eine Jüdin in Deutschland

Ab dem: 03.04.2015
Bis zum: 30.08.2015
Veranstalter:Ernst-Barlach-Museum
AnschriftBarlachplatz 3
23909 Ratzeburg
Link zum Museum : http://www.erns[..]
Zum Tod von Else Lasker-Schüler in Jerusalem vor nunmehr 70 Jahren, erschienen nur wenige Nachrufe - und die in englischer Sprache. In ihrer Heimat Deutschland waren noch immer die Nationalsozialisten an der Macht. Vor ihnen war die Dichterin 1933 als unwillkommene Emigrantin in die Schweiz geflohen, deren Behörden nach der Entfesselung des Zweiten Weltkriegs 1939 ihre Rückkehr von einer Palästinareise nach Europa verhinderten.
Die Werke Else Lasker-Schülers hatten die deutschen Machthaber schon 1933 öffentlich verbrennen lassen. Durch Vorträge und Schriften habe sie versucht, „den seelischen und moralischen Wert der deutschen Frau verächtlich zu machen,“ hieß es 1938 in der Begründung der Gestapo zum Ausbürgerungsantrag. Dass Else Lasker-Schüler, die schon damals von Kennern als größte deutsche Dichterin angesehen wurde, den Nazis nicht nur als Jüdin, sondern auch als moderne Frau ein Dorn im Auge war, dürfte heute kaum noch bekannt sein.
Else Lasker-Schüler setzte sich mit den unterschiedlichsten politischen Problemen auseinander und feierte in ihren Liebesgedichten eine autonome weibliche Erotik. Auch das war neu und subversiv, galten doch Frauen nach viktorianischen Vorstellungen als asexuell und hatten sich passiv vom männlichen Begehren leiten zu lassen. Einige Schriftsteller der Jahrhundertwende, die die Sexualität der Frau im Zeichen des Naturalismus und der Dekadenz feierten, delektierten sich an der Erfindung des „triebhaften und sündigen Weibes“, das als „Vamp“ oder „Vampir“ Angst einflößte. Eine Selbstdefinition von Frauen war weitgehend ausgeschlossen.

Else Lasker-Schüler, die sich oft verliebte, machte die Männer, die teils irritiert oder erschrocken reagierten, zu Objekten ihrer dichterischen Inspiration, sie machte sie gleichsam zu „Musen“, und kehrte damit das herkömmliche Geschlechtermodell um. 1909 schnitt sie ihre langen dunklen Haare zum Pagenkopf. Sie nannte sich nun nach dem biblischen Josef „Jussuf, Prinz von Theben“. Eine männliche Rolle, die sie zugleich schützen und erhöhen sollte. Nach ihrer Scheidung von Herwarth Walden 1912 begann sie, ein Bohèmeleben zu führen, tagsüber in Cafés und nachts in billigen, möblierten Zimmern. Sie provozierte durch ihren Habitus. Wie Gottfried Benn berichtete, habe sie „extravagante weite Röcke oder Hosen, unmögliche Obergewänder“ getragen, Hals und Arme „mit auffallendem, unechtem Schmuck behängt“ und trug „Ketten, Ohrringe und Talmiringe an den Fingern“. Betont weibliche Kleidung lehnte sie ab, bei Lesungen zeigte sie sich in einem phantastischen Hosenkostüm und mit silbernen Stiefeletten.
„Dies war die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte ... Ihre Themen waren jüdisch; ihre Phantasie orientalisch, aber ihre Sprache war deutsch ... Immer unbeirrbar sie selbst ... vermochte sie in dieser Sprache ihre leidenschaftlichen Gefühle auszudrücken, ohne das Geheimnisvolle zu entschleiern und zu vergeben, das ihr Wesen war.“ ( Gottfried Benn )

Else Lasker-Schülers Leben und Werk sind eng miteinander verbunden. Vor allem der Einfluss ihrer Religion ist dabei von Bedeutung: Die Schriftstellerin hatte ein kindlich-vertrautes Verhältnis zu Gott und glaubte an das Gute im Menschen. Sie hielt seit ihrer Kindheit an jüdischen Traditionen fest und „machte sich phantastische Vorstellungen von Jerusalem“ ( Margarete Kupper ). Ihre Sehnsucht nach dem Land der Väter wurde noch stärker, als sie das Gefühl hatte in Deutschland heimatlos zu sein. In der jüdischen Kabbala, die die Einheit zwischen Gott und dem Menschen wieder herstellen will, fand sie Bestätigung.
In ihren Werken verarbeitete Else Lasker-Schüler häufig ihre Sehnsucht nach der Versöhnung von Judentum und Christentum. Ein Beispiel dafür ist das Drama „Arthur Aronymus und seine Väter“, in dem aber auch die Judenverfolgung angedeutet wird: „Unsere Töchter wird man verbrennen auf Scheiterhaufen. Nach mittelalterlichem Vorbild! Der Hexenglaube ist auferstanden ... Die Flamme wird unsere unschuldigen jüdischen Schwestern verzehren ...“ Ihr letztes Drama „IchundDich“ handelt ebenfalls vom jüdischen Schicksal; von Heimatlosigkeit, Angst und Hoffnung.
In ihrer autobiografisch geprägten Prosa beschrieb Else Lasker-Schüler ihr Leben und das ihrer Freunde in Form von Legenden und Sagen. Dabei gab sie ihren Freunden Namen wie „Ritter aus Gold“ ( Georg Trakl ) oder „Blauer Reiter“ ( Franz Marc ). Sie selbst herrschte als „Prinz von Theben“ oder Jussuf über die Phantasiewelt, in der christliche, alttestamentarische und orientalische Elemente vereint waren. Ihr Verhältnis zur jüdischen Tradition wird auch in ihrer Lyrik, besonders in den „Hebräischen Balladen“ und in dem Gedichtband „Mein blaues Klavier“, deutlich.
di-so 11-17